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Von Haien, Golfbällen und förderlichen Turbulenzen

Hoffentlich geht alles glatt. Dieser Wunsch ist sicher einer der am häufigsten von uns Menschen geäußerten. Die so bestellte Glätte garantiert vermeintlich eine Zukunft ohne Schlaglöcher, Hindernisse und sonstige Turbulenzen - absolute Reibungslosigkeit eben. Und doch - wie bei vielen ähnlich gelagerten Menschenträumen werden wir auch hier immer wieder enttäuscht werden. Warum nur? Sollten all unsere Optimierungsversuche, die Glätte in Prozessabläufen zu erreichen, wirklich vergeblich bleiben?

 

Aus meiner Sicht liegt der Fehler an unserer falschen Vorstellung von Glätte bzw. Reibung. Hierzu eine Analogie aus der Natur: Früher ging man davon aus, dass eine glatte Körperoberfläche bei der Bewegung im Wasser am strömungsgünstigsten und somit optimal für eine hohe Geschwindigkeit wäre. Umso überraschender war dann das Kontakterlebnis mit der Haut von Haien: Diese ist so rau und voller „Hautzähne“, dass sie mancherorts zum Schmirgeln von Holz benutzt wird.

 

Heute weiß man: Diese Unebenheiten der Hai-Haut erzeugen bei schneller Bewegung im Wasser Turbulenzen. Diese „Wasserrollen“ auf der Hai-Haut bilden dann letztlich die Kontaktoberfläche mit dem umgebenden Wasser. Kann man sich einen reibungsloseren Kontakt vorstellen als zwischen Wasser und Wasser?

 

In der Luft funktioniert das auch: Wenn Sie sich einen Golfball anschauen und ihn betasten, sehen und fühlen sie die nach Plan gefertigten Eindellungen in der Oberfläche. Diese Golfbälle fliegen wegen der sie umgebenden Luftturbulenzen deutlich weiter als glatte, aber sonst identische Ausfertigungen. Und sie besitzen eine weitere Eigenschaft: Die Flugbahn ist bei den Golfbällen mit Orangenhaut stabiler und so beim Abschlag auch präziser zu beeinflussen.

 

Zurück zu uns Menschen: Es sind doch gerade die so ungeliebten „Unebenheiten“ im Laufe eines Menschenlebens, die sehr positive Effekte zeitigen. Krisen erzeugen genau die Turbulenzen, die für eine positive Entwicklung im Leben eines Menschen förderlich sind.

 

Vielleicht verhilft Ihnen diese Vorstellung zu gelassenem Optimismus, wenn Sie mal wieder über Unebenheiten auf Ihrem Wege fluchen.

 

Wenn ich mir unsere Seelen vorstelle, dann sind sie nicht blank und glatt: Sie haben mit Sicherheit Hai-Haut!

 
Von Säulen, Löchern – und wie wir Krisen überleben

Seelenklempner nennt man uns: die Gilde der Therapeuten, Berater und Coachs.

 

Unser vermeintliches Image: das Kaputte wieder zusammenfügen, das Hinfällige wieder heilmachen, das Schlechte in Schönes verwandeln…

 

Bis in den Sprachgebrauch bei der Gesprächseinleitung hat sich diese Vorstellung eingeschliffen:

Wie kann ich Ihnen helfen? So fragen wir unsere Patienten, Klienten, manchmal auch Kunden. Und manchmal beginnt dann ein von Missverständnissen begleitetes Ringen um den richtigen Reparaturansatz.

 

In den letzten Jahren ist oft von Salutogenese die Rede: Nicht der Blick auf das, was krankmacht, ist dabei gefragt. Fokussiert wird vielmehr, was uns gesund erhält. Gefördert werden die Reserven in uns, die heilend wirken können. Und wer da sucht, der findet immer.

 

Damit ändert sich auch meine Ansprache: Was fehlt Ihnen? Das ist die eigentliche und viel tiefere Frage eines jeden wahren Helfers – schon in uralten Zeiten.

 

Als ich über dieses Thema nachdachte, hörte ich das Album All the Little Lights von Passenger. Dahinter steht der Sänger und Songwriter Mike Rosenberg. Seine Lieder sind sehr positiv und machen mir gute Laune, ohne kitschig und naiv zu sein. Es geht mir nicht um positives Denken im Hardcore Style. Im Gegenteil: Viele Songs künden gerade auch von Verlusten, die zu beweinen sind. In dem Song Holes etwa sind es „Löcher in unseren Herzen, in unseren Köpfen, in unseren Leben, Löcher überall ...“

Und doch, so bilanziert der Pop Poet: „Wir machen trotzdem weiter…“ Wie schafft man das, mitten in einer Krise einfach weiterzumachen?

 

Die Ergebnisse der Salutogenese-Forschung verweisen in diesem Kontext unter anderem auf Sinn, auf Stimmigkeit, auf die Entwicklung einer subjektiven Lösung. Herauszuarbeiten ist dabei diese vermeintlich einfache Lebenseinstellung, jeder Situation noch das Beste abzugewinnen und eigene Reserven zu suchen und zu aktivieren.

 

In meiner Arbeit als Coach verwende ich oft das Modell der Fünf Säulen der Identität. Dieser kurze Identitätscheck richtet sein Augenmerk darauf, welche Säule vermeintlich nicht mehr so tragfähig ist, etwa die Säule Arbeit/Leistung. Doch ich lenke die Aufmerksamkeit dann immer auch auf die Säulen, die noch tragen, etwa das soziale Umfeld oder Körper und Gesundheit. Gerade diese noch tragenden, tapferen Säulen verdienen in Krisen besondere Beachtung und Dankbarkeit, damit sie weitertragen. Sie sind die Basis dafür, dass wir uns dann um die angeschlagenen Säulen kümmern können. Eine manchmal recht knifflige und komplexe Aufgabe.

 

Ein Pop-Poet darf es sich da einfacher machen. Mark Rosenberg singt:

Manchmal hast du keine Wahl und kannst es nicht ändern. Du verlierst manchmal mehr als du gewinnst. Da sind zwar all diese Löcher. Aber wir machen dennoch weiter.

 

Sie auch. Alles Gute und auf bald.

 
Der nahende Tod …
Tabuthema, Ratgeber oder Anlass, einen Elefanten zu streicheln?

In aller Regel kommt der Tod ungefragt. Manchmal auch überraschend für den Sterbenden wie auch für die Angehörigen. Wir wissen den Zeitpunkt nicht, an dem wir sterben werden.
Was wäre aber, wenn wir unser Todesdatum kennen würden? Mit dieser Idee spielt der belgische Kinofilm Das brandneue Testament. Die Reaktion der Menschen im Spielfilm ist zum Teil durchaus beeindruckend:
In der Partnersuche etwa sind einige Protagonisten plötzlich deutlich zielstrebiger, effektiver und erfolgreicher als zuvor. Sie haben nun keine Zeit mehr zu vergeuden. Oder unzumutbare Zustände bei der Arbeit werden von denen, die bald sterben werden, nicht mehr hingenommen, verständlicherweise: Sie haben jetzt nichts mehr zu verlieren. Viele Menschen nehmen mit dem neuen Wissen endlich Fühlung auf zur inneren Lebensmusik in ihrem Herzen: Diese führt sie zu ihrem persönlichen Lebensziel – oder zunächst einmal auf den Weg dorthin. Das ist ein sehr poetischer Part in dem unterhaltsamen und stellenweise auch grotesk komischen Film über einen sehr zynischen Gott, der mit Frau und Tochter in Brüssel lebt und biertrinkend vor seinem Universum-PC sitzt.


Wie ist es aber, wenn im wahren Leben für einen Menschen die Endlichkeit seines Lebens als Thema deutlich auftaucht? Die Reaktion darauf lässt sich nie prognostizieren.


Es ist Verdienst der Frauen und Männer, die Sterbende begleiten, hier zu helfen und Mut zu machen. Manche Sterbende finden angesichts ihres Todes zu mehr Courage und Wahrheit: Letzte Fragen werden endlich gestellt und beantwortet. Alte Fehden beigelegt. Wichtige Worte noch gewechselt. Damit das Gehen, so schwer es als Aufgabe bleibt, doch etwas leichter wird.


Manche Sterbende wollen auch noch einen letzten Wunsch realisieren.


Ich erinnere mich an eine meiner Supervisionsgruppen mit ehrenamtlichen Sterbebegleiterinnen. Da ging es um eine alte Dame, die noch einen Elefanten streicheln wollte. Diese rührende Geschichte könnte auch ein kleines Kapitel im Roman Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand von Jonas Jonasson sein. Die Vorbereitungen für das „Projekt Elefant“ waren vielfältig und schwierig. Ein kooperativer Zoo musste gefunden, Begleitung organisiert, der Weg dorthin im Spezialrollstuhl mit einem entsprechenden Fahrzeug organisiert werden.


Ein Schriftsteller oder Filmemacher würde die Geschichte jetzt sicherlich so erzählen, dass das Projekt noch vor Ablauf der Lebenszeit gelingt. Als Leser und Kinobesucher wünschen wir das sicherlich.


Im wahren Leben konnte die Dame den Elefanten nicht mehr erreichen, sie starb leider wenige Tage vor dem Zoobesuch. Aber dennoch war das „Projekt Elefant“ für alle Beteiligten sehr sinnstiftend und zielführend – auch ohne den krönenden Abschluss.


Was schieben Sie auf? Wofür haben Sie in Ihrer Vorstellung vermeintlich noch sehr viel Zeit? Was ist der wirkliche Sinn Ihres Lebens? Welchen heimlichen Wunsch möchten Sie sich erfüllen?


Ich muss mein Todesdatum gar nicht zwingend kennen, um mir diese Fragen zu vorzulegen.
Ich kann den Tod immer als täglichen Ratgeber benutzen. Diesen Satz habe ich einmal bei Carlos Castaneda gelesen. Er verweist auf die Chance, die in der Fokussierung auf das Wesentliche liegt. Und so frage ich meine Klienten gelegentlich, auch wenn vermeintlich noch viel Zeit zu leben ist:

Was ist Ihr aktuelles „Projekt Elefant“?


Eine erfüllende Antwort wünsche ich Ihnen. Auf bald.